Mehr Kreativität statt weniger Familienleben
Flexible Betreuungsmöglichkeiten oder Homeoffice sind zwei Bedürfnisse, die junge Familien heute ganz konkret haben. Diese und weitere Forderungen sowie Wünsche wurden in Form von Kurzvideos am 1. Dezember 2022 beim Empfang zum Kolping Gedenktag zur Sprache gebracht. Den Betroffenen eine Plattform zu bieten und mit Podiumsgästen aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Schwierigkeiten zu diskutieren, war das Anliegen des diesjährigen Gedenktages. Er fand im Rahmen des Schwerpunktes „#WeAreFamily - Kolping ist Familie“ statt, wie Robert Hitzelberger, Vorsitzender des Kolpingwerk Diözesanverband Augsburg, in seiner Begrüßung hervorhob.
„Bedürfnisse öffentlich auszusprechen erfordere Mut“, so war es in einem der Videos zu hören und umso wichtiger, die Thematik ernst zu nehmen, denn es geht um nicht weniger als die Zukunft unserer Gesellschaft. Dieser Verantwortung bewusst waren sich auch die sechs Gäste des Podiums im Augsburger Kolpingsaal. Dass Eltern längere und mehr Betreuungszeiten benötigten, berichtete Manuela Lutzenberger, die Leiterin einer Kindertagesstätte in Untermeitingen ist. Leider sei das nicht umsetzbar, im Gegenteil, sie müsse aufgrund des Personalmangels aus aktuellem Grund sogar die Öffnungszeiten kürzen. Als mögliche Lösung schlug Eva Lettenbauer, Jugendpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen vor, eine Werbeoffensive in den Schulen zu starten, um bereits dort jungen Menschen einen Beruf im sozialen Bereich schmackhaft zu machen. Thomas Huber, stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie im Bayerischen Landtag von der CSU betonte, dass in den vergangenen Jahren bereits die Erzieher*innen Ausbildung um ein Jahr verkürzt wurde, um deren Attraktivität zu steigern, nicht immer zur Freude der Fachverbände.
In der anregenden Diskussion, moderiert von Katja Weh-Gleich, lag klar vor Augen, dass bei dieser Gemengelage, bei der verschiedene Interessen gleichzeitig zu bedienen sind, Lösungen nicht pauschal herbeizuführen sind. So zum Beispiel bei der Planungssicherheit und finanziellen Entlastungen für Familien, die eine 40-jährige Mutter von den Podiumsgästen in einem Video forderte. Ein erschreckendes Beispiel führte Andreas Claus, Geschäftsführer der Sozialstation Schwabmünchen an. Eine Teilzeit-Mitarbeiterin habe ihm berichtet, dass sie sich aufgrund der gestiegenen Preise entschließen musste zur Tafel zu gehen, um ihren täglichen Bedarf zu decken. Von einer Art Missbrauch des Homeoffices aufgrund der Energiekrise sprach Rainer Engelhardt, Betriebsrat von Washtec in Augsburg. Die Arbeitgeber schickten ihre Leute ins Homeoffice, um sich die Heizkosten zu sparen, was nicht förderlich für den Geldbeutel von Familien sei und forderte die Vertretungen der Politik auf, hier aktiv zu werden. Handeln statt zusehen forderte auch Christian Scholle im Bereich des Schulwesens.
Erschreckendes hatte ein weiteres Video über den Personalmangel in Schulen von einer jungen Lehrerin und dreifachen Mutter zur Sprache gebracht. Sie und ihr Mann wünschten sich, dass Schule keine Verwahr- sondern eine Bildungsanstalt sein solle und ihre Kinder gern zur Schule gingen. Scholle, der Schulleiter der Realschule Maria Stern in Augsburg ist, kreidete der Regierung die Versäumnisse im Lehrermanagement der vergangenen Jahrzehnte an.
Neue Ideen seien gefragt, um dem Mangel entgegenzuwirken. Umdenken in der Gesellschaft sei notwendig, formuliert ein Paar in einem weiteren Video, um die hohe Stellung der Erwerbsarbeit gegenüber der Ehren- und Familienarbeit zu überdenken. Als konkrete Unterstützung forderten sie, außerhalb des Gewohnten zu denken und neue Formen von Betreuungen in den Blick zu nehmen und diese seitens der Politik zu fördern. Mit diesem Auftrag, kreative und neue Formen von Betreuung zu denken wurde die kurzweilige und anregende Diskussionsrunde entlassen. Nur zusammen als Gesellschaft schaffen wir es, Familien zu fördern, und zu unterstützen, so die Essenz der Moderation des Gesprächs. Mit Blick auf die im Herbst 2023 stattfindenden Landtagswahlen gibt es genug Raum für die unterschiedlichen Gruppierungen, Lösungsvorschläge und Ideen für eine zukunftsfähige Familienpolitik vorzulegen. Dem Podium ging ein geistlicher Impuls an der Feuerschale im Kolpingcampus voraus. Dieser wurde von Diözesanpräses Wolfgang Kretschmer und dem Diözesanfachausschuss „Kirche mitgestalten“ gestaltet. Die Gögginger Turmbläser übernahmen die musikalische Gestaltung.
Im Rahmen des Schwerpunktes „#WeAreFamily - Kolping ist Familie“ finden in den nächsten Wochen und Monaten die verschiedensten Angebote statt. Diese reichen von einer Online-Seminarreihe mit Ideen für die Familienarbeit vor Ort über ein Festival am 17. Juni 2023 im Allgäuhaus Wertach bis hin zu einem Aktionsheft mit Vorschlägen zum Durchführen bei Familiennachmittagen/-angeboten vor Ort.