Machtstrukturen verändern! Segen ermöglichen! Synodalen Weg weitergehen!
Seit Wochen wird die Zukunft der katholischen Kirche in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert. Die Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens sowie die Erklärung der Glaubenskongregation in Rom zum Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sind nur zwei Ereignisse, die diese Debatte prägen. Das Diözesanpräsidium sieht sich in der Verantwortung, Kirche mitzugestalten und Position zu beziehen. Daher begrüßt es die nachfolgende Erklärung des Bundespräsidiums des Kolpingwerkes Deutschland vom 23. März 2021:
Das veröffentlichte Kölner Missbrauchsgutachten sowie die Erklärung der Glaubenskongregation in Rom, die eine Segnung homosexueller Partnerschaften für unmöglich erklärt. Beide Ereignisse zeigen erneut eindringlich auf, wie wichtig und notwendig der Synodale Weg ist, damit Glaubwürdigkeit und verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden können. Wir brauchen diesen Reformprozess, der als ein Prozess des Wandels zu begreifen ist. „Wir erleben nicht eine Ära des Wandels, sondern einen Wandel der Ära“, so Papst Franziskus. Damit gemeint ist ein tiefgreifender Umbau unserer heutigen Kirchengestalt.
Viele bringen sich in diesen notwendigen Prozess des Wandels qualifiziert ein, damit aus biblisch fundierten Erkenntnissen, theologischen Vertiefungen und geistlichen Prozessen mögliche Wege der Kirche aufgezeigt werden können. Die wichtigen Themen und Fragen brauchen Zeit, um in aller Tiefe beleuchtet und kommuniziert zu werden. Der Synodale Weg ist ein Weg der Auseinandersetzung und Klärung, er ist auch ein Weg bislang nicht gekannter Offenheit und Deutlichkeit. Das nehmen wir dankbar zur Kenntnis.
Kölner Missbrauchsgutachten macht nötige Reformen deutlich
Inzwischen liegt das von der Kölner Bistumsleitung beauftragte Missbrauchsgutachten vor. Wir stellen fest, dass die zurückliegende, damit verbundene desaströse Kommunikation der Bistumsleitung auch die katholische Kirche in Deutschland in eine tiefe Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise gestürzt hat.
Aus Sicht der Betroffenen und Opfer ist die rein juristische Sichtweise des Kölner Missbrauchsgutachtens nicht ausreichend. Menschen wurde unermessliches Leid und Gewalt angetan. Sie sind zutiefst verletzt worden, nur um die Fassade unserer Kirche zu schützen. Umgehend muss jetzt den Betroffenen geholfen werden, wo immer sie Unterstützung benötigen. Dies ist das Gebot der Stunde!
Es ist nur folgerichtig, dass inzwischen auch erste personelle Konsequenzen aus dem Kölner Missbrauchsgutachten gezogen wurden. Wir fragen uns allerdings, warum nicht bereits vorher persönliche Schuld eingestanden wurde. Eine moralische Bewertung und Aufarbeitung des Verhaltens der Leitungsverantwortlichen steht weiterhin aus. Darüber hinaus sollten sich alle Mitglieder der Kölner Bistumsleitung die Frage nach ihrer jeweils persönlichen Verantwortung stellen. Die Leitungsverantwortlichen in allen deutschen Bistümern müssen jetzt beweisen, dass sie in der Lage sind, Straftaten und deren Vertuschung selbst aufzuklären. Sollte dieses nicht umgehend und konsequent erfolgen, wird es eine – wie bereits mehrfach gefordert – unabhängige Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission geben müssen.
Das Kölner Missbrauchsgutachten macht erneut deutlich, dass die vorhandenen und geprägten kirchlichen Strukturen einen Nährboden für den Missbrauch bieten. Es zeigt eindringlich, dass Machtstrukturen in der katholischen Kirche grundlegend verändert und Hierarchien abgebaut werden müssen. Bestürzend ist, dass bei Verfehlungen von Laien sofort arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen wurden, bei Klerikern aber nicht. Diese Tatsache eines ausgeprägten Klerikalismus als Grundlage schwerster Verfehlungen macht die Notwendigkeit der Reformdebatten im Rahmen des Synodalen Weges noch einmal in außergewöhnlicher Deutlichkeit sichtbar.
Alle deutschen Bistümer können aus den offensichtlichen Verfahrensfehlern, mangelnden rechtlichen Regelungen und ungenügenden Rechtskenntnissen – die das Kölner Missbrauchsgutachten offenlegt – lernen. Angesichts der dilettantischen Arbeitsweise müssen umgehend überfällige Verwaltungsreformen eingeleitet werden. Dies ist ein klarer Auftrag für innerkirchliche Reformen in Deutschland. Das Kölner Missbrauchsgutachten steht auch exemplarisch dafür, dass endlich eine Verwaltungsgerichtsbarkeit der Kirche zu installieren ist, die geordnete Verfahren mit Anklage und Verteidigung ermöglicht.
Klares Nein zum Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
Jede Beziehung, in der Menschen sich als gleichwertige und geliebte Kinder Gottes annehmen, die Würde des Anderen achten und sich um dessen Wohl sorgen, ist wertvoll. In allen menschlichen Beziehungen, die von Liebe und Achtung getragen sind, kommt jene Fähigkeit zur Liebe zum Vorschein, die der Schöpfer seinen Geschöpfen mitgegeben hat. Aufgabe der Kirche ist es, die Menschen zu begleiten und der Gestaltung ihrer Beziehungen zu dienen.
Mit ihrer am 15. März 2021 veröffentlichten Erklärung macht sich die Glaubenskongregation in Rom zur Kontrolleurin darüber, wen Gottes Segen erreichen darf. Das ist unangemessen und falsch. Mit Bezug auf Papst Franziskus, der immer wieder für „die Kunst der Unterscheidung“ wirbt, fordern wir, existenzielle Fragen des Lebens sorgfältig abzuwägen, die Vielgestaltigkeit und Wandelbarkeit der Lebenswirklichkeit anzuerkennen und auf vorschnelle Urteile und Bewertungen unbedingt zu verzichten. Trotz des bekundeten Willens, homosexuelle Menschen anzunehmen, grenzt die Erklärung der Glaubenskongregation sie aus, kränkt und verletzt sie. Die Erklärung macht uns nicht nur betroffen, sondern fordert unseren Widerspruch heraus!
Die Auseinandersetzung mit Fragen zum Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe und den daraus erwachsenen Beziehungen kann damit nicht beendet sein. Die Diskussion und das gemeinsame Ringen müssen weitergehen. Die kirchliche Lehre verlangt dringend nach einer erweiterten Sichtweise auf die menschliche Sexualität. Dazu gehört eine ernsthafte und zutiefst wertschätzende Neubewertung von Homosexualität, nicht zuletzt unter Einschluss aller heutigen humanwissenschaftlichen Erkenntnisse und zugleich im Dienste einer menschenfreundlichen Seelsorge. Die bloße Wiederholung der traditionellen lehramtlichen Wahrnehmungen und der daraus resultierenden negativen Wertung von Homosexualität auf naturrechtlicher Basis wird heute von vielen SeelsorgerInnen und Gläubigen nicht mehr akzeptiert. Ein Verweis auf die Formulierungen des Katechismus reicht nicht mehr aus, wenn tragfähige Argumente für eine entsprechende theologische Weiterentwicklung sprechen.
Segensfeiern in diesem Kontext sind aus der konkreten Praxis und seelsorglichen Begleitung der Menschen vor Ort entstanden. Sie sind ein wichtiges und wertschätzendes Zeichen für gläubige Menschen. Die Befürchtung, dass durch die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften eine Verwechslung mit der sakramentalen Ehe eintreten kann, teilen wir nicht.
Wir lehnen das Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab und sehen die Erklärung als erneute Störung des Synodalen Weges. Es ist gut, dass das Synodalforum „Leben in gelingenden Beziehungen“ den Auftrag hat, die Sexuallehre der Kirche vor dem Hintergrund der heutigen Zeit sowie dem sensus fidelium, dem Glaubenssinn der Gläubigen, neu zu bewerten.
Synodalen Weg als Chance begreifen!
Machtstrukturen müssen sich verändern und Hierarchien abgebaut werden. Das Bundespräsidium fordert die Bistumsleitungen in Deutschland auf, den Synodalen Weg dafür zu nutzen und als Chance zu begreifen. Wir erwarten, dass die Themen und Fragen in der Synodalversammlung ernsthaft aufgegriffen, beraten und entschieden werden. Um dem Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche, der bis in die Kerngemeinden reicht, entgegenzuwirken und Vertrauen wieder aufbauen zu können, sind ein konstruktiver Dialog und notwendige Reformen zwingend erforderlich. Dazu gehört eine Evangelisierung, die die Menschen erreicht und ihnen vermittelt, dass die Frohe Botschaft und ein Leben aus und mit dem Glauben eine Bereicherung darstellen.
Als Bundespräsidium unterstützen wir ausdrücklich erneut diese Ziele und bitten alle Mitglieder der Synodalversammlung eindringlich, nicht zu resignieren, sondern den begonnenen Weg mutig, kraftvoll, zuversichtlich und in Offenheit mitzugehen und mitzutragen.
Bundespräsidium Kolpingwerk Deutschland
Köln, den 23. März 2021