Handlungen aus dem geschichtlichen Kontext betrachtet

Blickwechsel Ungarn: die Wahrheit dazwischen?!

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01.12.2015




v.l.: Erwin Fath, Alois Zeller, Prof. Nelu Bradean-Ebinger, Sonja Tomaschek, Franz Mayer

Dass aktuelle ungarische Positionen und Reaktionen oft auf Unverständnis bei deutschen Gemütern stoßen, ist eine Tatsache. Zurückzuführen ist die wohl darauf, dass der Blick für die gewachsene Geschichte dahinter fehlt, um sich ein Urteil bilden zu können. Das wurde den 50 Teilnehmern des Fairen Frühstücks am 28. November deutlich. Der Diözesanfachausschuss „Verantwortung für die Eine Welt“ des Kolpingwerkes hatte einen Kenner sowohl der ungarischen als auch deutschen Geschichte eingeladen. Prof. Nelu Bradean-Ebinger ist tätig an der wirtschaftswissenschaftlichen Corvinus-Universität in Budapest. Ebenfalls war er Professor für germanistische Linguisitk an der Universität in Miskolc. Seine deutschen Vorfahren kamen als sog. Donauschwaben nach Ungarn.

Selbst Teilhabender an der ungarischen Geschichte gab Bradean-Ebinger einen kurzen Abriss über die Geschichte Ungarns, die klar die Unterdrückung des Volkes für lange Jahrzehnte unter wechselnden Herrschaften widerspiegelt. Er hob hervor, dass Ungarn heute frei und eine parlamentarische Republik sei – demokratisch organisiert. Das kleine Land, bevölkerungszahlenmäßig kleiner als Bayern, erlebte 2010 einen politischen Wechsel, der 2014 eine Bestätigung erhielt. 

Selbst den Ungarn ist bewußt, dass das was von Regierungsseite nach außen kommuniziert wird, nicht immer glücklich formuliert ist. Das hindert westliche Medien aber nicht daran, daraus Profit für lukrative Schlagzeilen zu ziehen und ihren Lesern ein verzerrtes Bild der Realität zu präsentieren.  Zu diesem Fazit kommt sogar die Deutsche Arbeitsgruppe für Auswärtige Politik in im Mai 2015 veröffentlichten Bericht. Jeder persönlich ist gefragt, sich nicht nur einer Informationsquelle zu bedienen.

In der anschließenden Diskussion stand die derzeitige Flüchtlingskrise im Vordergrund. Kontroversen zeichneten sich hier ab. Bradean-Ebinger erläuterte, dass Ungarn bereits schon seit zwei Jahren christliche Flüchtlinge aufnimmt, noch bevor die große Flüchtlingswelle einsetzte. Als dann die Registrierung der Flüchtlinge gefordert wurde, stellten sich die Flüchtlinge dagegen, denn sie seien nur auf der Durchreise nach Schweden und Deutschland. Vor allem in Deutschland,  so hatten sie dank neuer Medien erfahren, gebe es  ein großherziges Asylgesetz. Wer würde sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlen und dementsprechend reagieren? Das deutsche Asylgesetz wurde aus der Geschichte heraus entwickelt und geht über die Genfer Konvention hinaus. Es wird um Verständnis dafür gerungen, das dieses Asylgesetz nicht für alle europäischen Staaten gelten möchte und kann.

Ob Frauen, Kinder oder junge Männer: sie sind, gleich aus welchem Grund, geflohen und nun bei uns da. Wie gehen wir mit Menschen um, wenn sie vor unserer Türe stehen. Was ist unsere Aufgabe als Christen? Sind wir nicht verpflichtet sie aufzunehmen?

Eine Anfrage an die deutsche Politik, warum vereinbarte Regelungen wie das Schengen-Abkommen einfach ausgesetzt wird, kam ebenfalls zur Sprache. Wenn es allerdings Europa nicht schafft – und dies wird nicht der Fall sein, die Konflikte der Welt vor Ort zu  lösen, dort wo sie entstehen – gibt es dann keinen anderen Ansatz? Wäre es nicht möglich, die Frage des Gemeinwohls für alle im Zuge der Globalisierung auch global zu denken und den Lebensstil eines sozialen Systems in die Welt zu exportieren.

Diese und viele weitere Fragen zu aktuellen Themen wird das Kolpingwerk als Sozialverband auch weiterhin beschäftigen.  Auch Diskussionen mit und über das Partnerland Ungarn, getragen von vielen Kolpingsfamilien, die seit über 20 Jahren Partnerschaften zu ungarischen Kolpingsfamilien pflegen, werden weiter ihren Platz im Veranstaltungskalender des Kolpingwerkes finden, um einer objektiven Meinungsbildung und damit der Wahrheit ein wenig auf die Spur zu kommen.

Ein Ort der Begegnung beider Länder findet sich im Kolping-Hotel in Alsópáhok. Dort wird zum 20-jährigen Bestehen des Hotels im Jahr 2016 viel Zeit und Raum für gemeinsame Gespräche sein.

Johanna Pongratz
01.12.2015
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